John Fritsche ist 1983 als 17jähriger vom
grossen Amerika in die Provinz der Schweiz gekommen. Er ist einer, der in über
20 Jahren dem Schweizer Eishockey sehr viel gegeben hat. Vor allem dem HCAP, wo
er seine Karriere in unserem Land angefangen und beendet hat.
John, wie bist du in die Schweiz
gekommen und im speziellen nach Ambri?
Ich habe ein Inserat im "Swiss-American Revue"
gesehen. Gegen Weihnachten bin ich nach Ambri gekommen um einige
Freundschaftsspiele zu absolvieren. Nach zwei Spielen hat mir der Klubs einen
Vertrag angeboten und so hat mein Abenteuer bei Ambri begonnen. Ich wollte
eigentlich nur ein Jahr bleiben und stattdessen.....
Vom grossen Cleveland ins kleine
Dorf in der Leventina, was für ein Wechsel!
Nun, es ist klar, dass es zu Beginn ein bisschen Probleme mit der Akklimatisierung
gab. Als ich im Tessin ankam, hab ich aber sofort ein paar Mannschaftskollegen
gefunden, die mir sehr geholfen haben. Im speziellen denke ich da an Rick
Tschumi, Warren Bruetsch und die Ausländer Hampton und Hubik. Das Hockey zu
dieser Zeit war mehr ein Vergnügen als etwas anderes, viel weniger Stress als
in den USA.
Der Höhepunkt deiner
Spielerkarriere in der Leventina war vermutlich Ende der 90er-Jahre, als man
zweimal - im Halbfinal gegen Zug und im Final gegen Lugano - einen Schritt vor
dem Titel stand...
So nah am Ziel zu sein und dann den Titel nicht zu holen war ohne Zweifel
eine grosse Enttäuschung. Es blieben mir aber schöne Erinnerungen an diese
Momente. Im Finaljahr herrschte in Ambri eine sensationelle Atmosphäre. Die
Mannschaft, der Trainer, der Vorstand und die Fans waren eine Einheit: ich habe
wirklich ausserordentlich emotionale Momente erlebt. Als Lugano an diesem
Nachmittag den entscheidenden Treffer erzielte, verstummte die Valascia und die
blauweissen Fans waren für mindestens 30 lange Sekunden totenstill. Es war ein
schwerer Moment, denn wir haben hart gearbeitet, um den Titel zu holen. Mir tat
es vor allem für unsere Fans leid: Wenn jemand in Ambri wirklich den Titel
verdient, dann ist es unser Publikum!
In deiner Letzten Saison als
Spieler plagten dich diverse Verletzungen. Der Klub hat Riccardo Fuhrer
entlassen und übertrug dir die Mannschaft fürs vierte Playoffspiel gegen
Davos.
Eine schöne Erinnerung, auch wenn das nur eine kleine Seite meines
Lebensbuches repräsentiert. Ich konnte an diesem Abend nicht viel machen, ich
war mehr als Spieler denn als Trainer auf der Bank.
Die letzten Jahre warst Du
Assistenz-Trainer von Serge Pelletier. Welche Bilanz ziehst du von der vor
kurzem zu Ende gegangenen Saison?
Ambri ist eine gute Mannschaft und diese Saison hat sie dies bewiesen.
Wir erhofften uns vielleicht ein bisschen mehr, aber in all den Jahren hab ich
noch nie solches Pech erlebt, wie es uns Ende Saison widerfahren ist. Es war
schwierig, mehr herauszuholen ohne all die Spieler, die uns fehlten.
Gibt es eine Person, die mehr als
alle anderen für immer in deinem Herzen bleibt?
Es gibt sehr viele Leute, die Liste wäre zu lange. Ich kann sagen, dass
ich nach Amerika als... Ausländer zurückkehre, weil ich mich heute als
Schweizer fühle. In meinem Herzen trage ich die blauweissen Farben, ich
vergesse niemanden, hier habe ich wirklich spezielle Momente erlebt.
Vor allem Ambri, aber nicht nur
Ambri in deiner langen Karriere. Du warst auch fünf Jahre in Zug...
In Zug hab ich ein schönes Stück meiner Karriere verlebt, auch von da
hab ich schöne Erinnerungen. Ich kam zusammen mit Red Laurence, meinem
Teamkollegen von Ambri in Zug an. Ich denke, dass ich meinen Beitrag zur
sportlichen Entwicklung der Zentralschweizer gemacht habe. Während dieser
Zeit spielte ich zweimal mit der amerikanischen Nationalmannschaft am Spenglercup,
ein weiterer faszinierender Moment.
Dann der Wechsel zu Lugano...
Ich fühlte mich bereit für eine grosse
Herausforderung und so nahm ich das Angebot aus Lugano an. Auch als Bianconero
war es eine schöne Erfahrung: Lugano ist eine schöne Stadt, die Organisation
war optimal und noch heute habe ich viele Freunde da. Ich kann sagen, dass es
mir überall in der Schweiz gut ergangen ist.
Jetzt nach über 20 Jahren ist für
dich und deine grosse Familie (Frau und fünf Kinder) die Zeit gekommen, den
Atlantik wieder zu überqueren, dieses Mal von der anderen Seite. Was wirst du
ganz genau machen, John?
Mir wurde die Aufgabe anvertraut, eine
Mannschaft der "Major-Junior" zu trainieren. Diese besteht aus
20-21jährigen Jungs. Ich denke, das wird eine optimale Erfahrung sein, eine
interessante Herausforderung, denn ich arbeite mit einem Teil meiner
Verwandtschaft. Ich trainiere die Mannschaft und bin für die Halle zuständig.
Mein Bruder fungiert als Chef-Scout, während mein Neffe den Posten des
General-Managers beschäftigt. Auch für meine Kinder, die Hockey spielen ist es
wichtig, einen neuen Stil zu lernen, basierend auf Kampf und Aggressivität.
Für einen wie mich, der diesen Sport lebt, ist es wichtig in einem solchen
Umfeld zu arbeiten, egal ob in der Schweiz oder in USA.
Was wird dir an unserem Land
fehlen?
Praktisch alles. Ich wäre ein Lügner,
wenn ich sagen würde, ich wäre nicht traurig, die Schweiz zu verlassen. In
Amerika bin ich aufgewachsen, hier bei euch bin ich gereift, auch wenn ich
ein bisschen verrückt geblieben bin, wie viele meiner Landsleute.
Wahrscheinlich das einzige, was mir nicht fehlen wird von der Schweiz, sind eure
Preise. Mamma mia, das Leben ist teuer hier!
John,
was hat sich in den 20 Jahren im Schweizer Eishockey verändert?
Wirklich viel. Bis Ende der 90er-Jahre
war es mehr ein Vergnügen als etwas anderes. Dann haben sich die
Trainingsmethoden und die Spielsysteme geändert. Die Torhüter haben sich
extrem verbessert, die Spieler wurden physischer und schneller. Das heutige
Niveau des Schweizer Eishockeys ist wirklich sehr gut. Ich bin mir sicher, dass
in Zukunft viele Schweizer die Möglichkeit haben werden, in der NHL zu
spielen.
Die Schweiz bleibt jedoch ein
kleines Land. Glaubst du, dass es noch Möglichkeiten gibt, sich dem Top-Niveau
des Welthockeys weiter zu nähern?
Natürlich gibt es noch
Steigerungspotenzial. Alles hängt von den Jungen ab, von ihrem Charakter und
von ihrem Willen, ambitionierte Ziele zu erreichen. Heute muss ein Junger, der
auf hohem Niveau in der ersten Mannschaft spielen will, viele Opfer bringen und
das ist nicht immer leicht. Wenn es gelingt, eine gewisse
"Arbeits-Ethik" zu erreichen, bin ich sicher, dass dem Schweizer
Eishockey eine brillante Zukunft bevorsteht.
Wie könnte man aus deiner Sicht
unser Hockey verbessern?
Das ist eine schwierig zu beantwortende
Frage. Was sicher ist, das haben wir dieses Jahr gesehen, dass man die Struktur
des Verbandes verbessern muss. Die Schweizer Führung hat in den letzten fünf
Jahren sicher gute Ideen gehabt, aber verbessern kann man sich immer.
John, ich wünsche dir im Namen des Fanclubs Luzern (er nannte mich immer
"Capo") und aller Fans alles Gute für Deine Zukunft und wir
hoffen, dich irgendwann wieder in der Schweiz begrüssen zu dürfen!
Tiz |
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