Saisonrückblick 2009/10
Trotz vielen Pleiten am Ende ein Happy End
Das goldene Tor von Ambri Captain Paolo Duca beendete die Saison 2009/10
vorzeitig. Das Saisonziel Ligaerhalt wurde mit einer Leistungssteigerung
gegen die favorisierten Bieler erreicht. Dennoch muss der HC Ambri-Piotta
nach einer missratenen Saison und einem weiteren Gang in die Playouts über
die Bücher.
Ambri hat sich mit dem 3:2 n.V. gegen Biel vorzeitig schon in der ersten
Playout-Runde den Ligaerhalt gesichert. Die Leventiner bodigten die
Seeländer nach sechs hart umkämpften Spielen. Immerhin erreichten die
Bieler den neunten Platz der Qualifikation und galten als Favorit. Mit
einer eindrücklichen Demonstration von Kampfgeist, Charakter und Einsatz
hat Ambri gezeigt, dass es als Team nicht so schlecht war, wie es die
Tabelle hergab. Für den Tessiner Traditionsverein war dies aber erneut
eine Frust-Saison. Zuviel Verletzungs- und Wettkampfpech, zum Teil
unbefriedigende Ausländer nagten nicht nur am Selbstvertrauen der Spieler
sondern stellten auch die Arbeit des Trainers Benoît Laporte in Frage. Der
neue Wind an der Bande, welcher Ambri Präsident Filippo Lombardi zu Beginn
der Saison versprochen hatte, wollte irgendwie die gesamte Saison nie
nicht richtig wehen. Der 48-jährige Laporte wurde zum ersten Mal in der
Clubgeschichte als Trainer und Sportchef angestellt. Er konnte zwar seinem
Ruf als harter, ehrlicher Arbeiter, der auch unbeliebte Massnahmen wie
Straftrainings, Degradierungen der Stars auf die Bank etc gerecht werden.
Doch spürbare Fortschritte machte die Mannschaft erst, als man im Playout
sprichwörtlich das Messer am Hals hatte. Benoit Laporte hatte zuvor als
Trainer bereits mehrfach bewiesen, dass er in der Lage ist, das
Spielsystem einer Mannschaft gut zu organisieren und die Balance zwischen
Offensive und Defensive zu finden. In Ambri ist ihm das aber nur zum Teil
gelungen. Zwischen den ersten Vorbereitungsspielen und den letzten
Qualifikationsspielen konnte man nur bedingt Fortschritte feststellen.
Doch die Verantwortlichen in Ambri haben am Trainer festgehalten, so
bitter die vielen Niederlagen für die Fans auch waren. Das Team konnte
sich schon sehr früh mit den Playouts auseinandersetzen und war
dementsprechend vorbereitet. Benoit Laporte ist es gelungen, aus einer „Loser-Truppe“
innert wenigen Tagen eine schlagfertige Mannschaft in die
Ligaqualifikation zu schicken mit dem Ziel, Ambri in der NLA zu halten.
Umso bemerkenswerter ist die Arbeit von Coach Laporte, weil für einmal im
Sport Vernunft und Geduld mit einem diskussionslosen Ligaerhalt belohnt
worden sind.
Ein guter Goalie – aber keine solide Defensive
Insgesamt 12 Vorbereitungsspiele absolvierte der HCAP, die Bilanz war
dabei durchzogen. Einige Male wurde schonungslos aufgedeckt, dass Ambri
gegen eine läuferisch und technisch bessere Mannschaft nur geringe Chancen
hat. Dennoch hatten die Leventiner im Tor wieder eine klare Nummer eins:
Thomas Bäumle. Der Solothurner konnte nach seiner schweren Verletzung an
die letzte Saison anknüpfen. Mit Lorenzo Croce verfügten die Leventiner
zudem über einen soliden Ersatzgoalie. Die Verteidigung des HCAP hatte im
Vorfeld den Abgang von Urgestein Nicola Celio und Nick Naumenko zu
verkraften. Die Leaderrolle Celios hatte Rückkehrer Reto Kobach nur zum
Teil übernehmen können. Der Luzerner war zwar ein sicherer Wert, konnte
jedoch die Ambri Verteidigung nicht wunschgemäss stabilisieren. Der neue
US-Verteidiger David Schneider, ein relativ unbeschriebenes Blatt, konnte
in den Testspielen und acht Meisterschaftsspielen nicht überzeugen. Danach
setzte ein brutaler Check von Luganos Julien Vauclair den Amerikaner für
den Rest der Saison ausser Gefecht. Als Ersatz wurde der ehemalige NHL
Spieler Jamie Rivers verpflichtet. Seine physischen Mängel und fehlende
Spielpraxis konnte der Kanadier mit einer Erfahrung von 469 NHL Spielen
nicht Wett machen. Die Verteidigung, welche zu Saisonbeginn als stärker
eingestuft wurde, musste zum Teil unten durch. Einer der wenigen
Lichtblicke war das Eigengewächs Giacomo Casserini. Der Elite Junior
spielte sich bis zu seiner Verletzung einige Teilzeiteinsätze. Ambri hatte
auch mit vielen Verletzten zu kämpfen. Eine sehr beängstigende Tendenz,
die sich allgemein durch die Eishockey-Stadien zieht sind die
Hirnerschütterungen. Ralph Bundi, David Schneider, Jakub Horak, Marc
Gautschi, Reto Kobach und Mirko Murovic fielen alle längere Zeit oder für
den Rest der Saison wegen einer Hirnerschütterung aus. Diese Fouls müssen
zwingend strenger bestraft werden und die Stadien mit elastischen Banden
wie in Vancouver ersetzt werden.
Der Einsatz stimmte grösstenteils, beim Derby sowieso…..
Begonnen hatte die Saison fulminant. Dank Treffern von Paolo Duca, Erik
Westrum und Mirko Murovic in den Schlussminuten bezwangen die Leventiner
den Erzrivalen Lugano im ersten Saisonderby mit 6:3. Dreimal ging das
favorisierte Lugano in der ausverkauften Valascia in Führung, dreimal
glich Ambri wieder aus. In den letzten vier Minuten stellten die drei
besagten Cracks alles auf den Kopf und machten Ambri überraschend - aber
wie so oft - zum ersten Leader der Saison 2009/2010. Ein Glanzpunkt, der
man aber nachher nie toppen konnte. Die ganze Saison wurde zu einer
Achterbahnfahrt. Konstanz war beim HCAP ein Fremdwort. Vor allem in der
Offensive konnte der HCAP nie wirklich überzeugen. Vor dem gegnerischen
Tor braucht es Klasse, Talent, Kreativität und Kaltblütigkeit. Diese
Attribute konnte Ambri nur selten vorweisen. Die beiden wiedervereinten
Stürmer Kirby Law und Erik Westrum konnten die Erwartungen nicht erfüllen.
Aus dem ehemaligen Atom-Duo des AHL Teams Houston Aeros wurde
ironischerweise ein Atommüll-Duo. In der Saison 2005/06 hatten die beiden
Sturmpartner zusammen in 80 Spielen über 200 Skorerpunkte gesammelt.
Dadurch kam Erik Westrum noch mehr unter Druck. Er hatte nun seinen
Wunschpartner bekommen, musste aber auch gleichzeitig einiges aus der
missratenen letzten Saison gut machen. Dies gelang dem Amerikaner nicht.
Ob es nur an einer hartnäckigen Rückenverletzung lag oder auch
Motivationsprobleme im Spiel waren, weiss nur der Betroffene selbst.
In 50 Spielen nur 10 mal gewonnen
Was passiert, wenn die beiden sonst treffsicheren Stürmer Ladehemmungen
haben, hatte man bald gemerkt. Die Leventiner wurden während der Saison in
der Tabelle nach hinten gereicht und konnten die rote Laterne bis zum
Schluss der Qualifikation nicht mehr abgeben. So richtig in die Gänge kam
der HCAP nie. Die Gründe für die vielen Pleiten sind schnell gefunden. Die
Mannschaft war vielfach in den Startminuten nicht bereit, machte defensiv
zu viele Fehler, was die Gegner zu Toren ausnutzten. Offensiv blies den
gegnerischen Verteidigern ein laues Lüftchen entgegen. Hinzu kam ein
schlechtes Powerplay. Zu viele Überzahlsituationen wurden nicht
ausgenutzt. Dazu kam, dass die Mannschaft von Benoit Laporte sieben
Shorthander-Tore einfing. Irgendwie war es aber absehbar: Bei Ambri hatte
sich schon in den Testspielen ein Problem in der Offensive ergeben. Sechs
Mal in Serie gelang dem HCAP nur ein mickriges Törchen. Definitiv viel zu
wenig, um ein Spiel zu gewinnen oder gar einen Playoff Platz zu ergattern.
Es brauchte 40 Runden, bis der HCAP endlich auf fremden Eis einen
Vollerfolg feiern konnte. Gegen das ebenfalls kriselnde Rapperswil
gewannen die Leventiner etwas glücklich, aber nicht unverdient mit 2:3.
Andere Spieler wie Alain Demuth, Mirko Murovic oder Julian Walker konnten
teilweise in die Lücke springen und Verantwortung übernehmen. Das Mass
aller Dinge war aber einmal mehr Capitano Paolo Duca. Er war der
Antreiber, Kämpfer und Vollstrecker. Von den Neuzugängen konnten die
beiden Stürmer Adrian Brunner und Roman Botta ihre Chance nutzen. Adrian
Brunner erzielte in seiner ersten NLA Saison 7 Tore und 10 Assists. Der
Tessiner Roman Botta erwies sich als kaltblütiger Penaltyschütze und
dankbarer Fore-Checker. Eine Chance erhielt auch Mauro Juri, Sohn des Ex
Präsidenten Emilio Juri. Doch zu mehr als einem Ergänzungsspieler reichte
es dem 26-jährigen nicht. Die Leventiner konnten von den 50
Qualifikationsspielen nur deren 10 gewinnen. 40 Partien gingen verloren,
davon zwei nach Verlängerung und drei nach Penaltyschiessen. Das
Dümpeln am Tabellenende wirkte sich auch auf die Zuschauerzahlen aus. Den
28 Heimspielen wohnten im Schnitt 3522 Fans bei. Das schlechte sportliche
Abschneiden wirkt sich beim Tessiner Traditionsverein, deren Fans aus der
ganzen Schweiz in die Valascia kommen, nirgends so brutal aus wie beim
HCAP.
Die jungen Wilden kommen
Beim
Kantonsrivalen Lugano, wo der Sturm an die Spitze ein weiteres Mal
ausgeblieben ist, gilt das altbekannte Rezept: Nämlich neuer Trainer, neue
Spieler und erneut viel Geld investieren. In Ambri hingegen setzt man auf
Kontinuität. Die Mannschaft für die kommende Saison steht zum grossen
Teil. Erstmals kann der Sportchef/Trainer Benoit Laporte „seine“
Mannschaft zusammenstellen. Mit Paolo Duca, Mirko Murovic, Ralph Bundi und
Zdenek Kutlak konnten die Verträge verlängert werden. Zudem hat der HC
Ambrì-Piotta auf die kommende Saison hin Rapperswil Stürmer Raeto
Raffainer (links) und SC Bern-Angreifer Trevor Meier (rechts) verpflichtet. Offen sind noch
zwei Ausländerpositionen. Ein Flügelstürmer in die Linie um Erik Westrum,
denn der ehemalige Topskorer Westrum hat bei Ambrì noch einen Vertrag bis
2012. Im Laufe dieser Saison schien es lange - zumindest gemäss Tessiner
Medien - nur eine Frage der Zeit, bis es zwischen dem Amerikaner und
Trainer/Sportchef Benoit Laporte zum Eklat und damit zum Transfer kommt.
Doch Westrum hat durchgebissen und ist geblieben. Mit fünf Toren und fünf Assists war er sogar der beste Skorer in den Playouts. Er bekräftigte nun
gegenüber den Tessiner Medien, dass er seinen Vertrag bei Ambri erfüllen
wird. Noch sind einige auslaufende Verträge nicht verlängert worden.
Möglicherweise kann es noch die eine oder andere Änderung in der
Mannschaft geben. In die erste Mannschaft nachrücken werden auch einige
Junioren. So wie es das Ambri Gesamtkonzept „2014“ vorsieht. Denn
Kernpunkte der Strategie 2014 sind nebst den Finanzen, die Renovation der
Pista Valascia, eine weitere Professionalisierung des Unternehmens und das
Einbauen eigener Talente. So sollen in das definitive Kader die Junioren
Inti Pestoni, Grégory Hoffmann und Ivan Incir (alle Stürmer) sowie die
Verteidiger Giacomo Casserini und der Elite-Junioren-Captain Uinter Guerra
nachrücken. Vor allem Inti Pestoni kann noch einiges bewirken. Als roher
Diamant gehandelt, konnte er zuletzt zwischen Erik Westrum und Paolo Duca
stürmen. Im Bereich der Stürmer der 4. Linie könnte es einige
Veränderungen geben. Trotz versöhnlichem Saisonende mit der Sicherung des
Liga-Erhalts gegen Biel ist man in der Leventina am Aufarbeiten einer
sportlich schwierigen Saison. Ambris Management um Jean-Jacques
Aeschlimann und Trainer/Sportchef Benoit Laporte war sich aber von allem
Anfang an bewusst, dass nur der Ligaerhalt das Ziel sein kann. Doch wer
zum vierten Mal in Serie die Playoffs nicht schafft, muss generell alles
hinterfragen. Für die Fans und Freunde des Tessiner Traditionsvereins gibt
es weiterhin etliche Fragezeichen. Antworten dazu werden sicher in den
nächsten Wochen präsentiert werden. Bis dann brodelt die Gerüchteküche
diesseits und jenseits des Gotthards wacker weiter.
Text & Fotos: Vögi und Tiz
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